Der Verlust der Artenvielfalt bei Getreide
Biodiversität als Ziel des Umwelt-, Arten- und Menschheitsschutzes
Derzeit gibt es beinahe täglich Nachrichten über den weltweit bereits erlittenen und drohenden Verlust an Artenvielfalt bei Getreide sowie anderen Tieren und Pflanzen, der sogenannten Biodiversität. Nach 14 Jahren hat der Weltbiodiversitätsrat (IPBES) erstmals wieder einen Bericht vorgelegt. Mit alarmierenden Zahlen. Demnach sind 12,5 % aller Tier- und Pflanzenarten vom Aussterben bedroht. Neben vielen Pflanzenarten geht es insbesondere um Korallen und Amphibien. Und der Bericht nennt auch die Hauptursache hierfür: Der Mensch und seine Eingriffe in die Natur. Niemals zuvor in der Menschheitsgeschichte sind so viele Tiere und Pflanzen ausgestorben wie jetzt.
Nachfolgend möchte ich einige Begriffe erläutern und den Rückgang der Artenvielfalt am Beispiel von Getreiden mit Zahlen belegen.

Biodiversität umfaßt die drei, eng miteinander verbundenen Bereiche, Artenvielfalt, genetische Vielfalt und Vielfalt an Ökosystemen, zu der Lebensgemeinschaften, Lebensräume wie Wälder und Meere sowie Landschaften gehören.
Artenvielfalt ist ein Maß für die Vielfalt von Flora und Fauna und wird häufig als charakteristisches Merkmal für die Biodiversität eines Gebietes verwendet. Diese Vielfalt an tierischen und pflanzlichen Arten ist zunehmend mehr gefährdet und bereits deutlich verringert.
Der Verlust der Artenvielfalt bei Getreide soll anhand einiger Zahlen verdeutlicht werden:
So sind etwa 30.000 Pflanzenarten von den weltweit bekannten rund 380.000 Arten essbar. Seit Beginn der Landwirtschaft vor rund 10.000 Jahren wurden hiervon ca. 7.000 vom Menschen genutzt. Dies zeigt an sich eine enorm große Vielfalt an. Doch trotz dieser enormen Vielfalt spielen heutzutage nur rund 150 Pflanzenarten für die menschliche Ernährung eine Rolle. Und mit gerade einmal 30 dieser Arten werden 95 Prozent des Kalorienbedarfs der Weltbevölkerung gedeckt. Hierbei tragen die drei wichtigsten Arten – Weizen, Reis und Mais – zu 50 Prozent zum Nahrungsbedarf der Menschen bei. Enttäuschende und zugleich erschreckende Zahlen, wie ich finde.
Diese
Entwicklung spiegelt sich auch in Deutschland wider:
Die
Landwirtschaft baut hier etwa 25 Pflanzensorten für den
Marktfruchtanbau an, also Pflanzenarten für die menschliche
Ernährung. Zu ¾, also zu 75 Prozent, wird die bewirtschaftete
Anbaufläche aber gerade einmal von 5 Kulturarten beherrscht: Weizen,
Gerste, Mais, Raps und Roggen. Und obwohl es von jeder dieser
Pflanzenarten viele verschiedene Sorten gibt, finden nur wenige
Verwendung. Die Roggenernte beispielsweise wird zu 70 Prozent von 5
Roggensorten ausgemacht.
Obwohl es unterschiedliche Gründe für den Verlust der Nutzpflanzen-Biodiversität gibt, spielen doch wirtschaftliche Zwänge eine entscheidende Rolle. Sie erlauben es Landwirten häufig nur noch sehr ertragreiche Arten/Sorten anzubauen. Auch sind durch die industrielle Verarbeitung die Anforderungen an einheitliche Qualitäten gestiegen. Natürlich bedingt auftretende Schwankungen innerhalb des Rohstoffes Getreide beispielsweise, sind sowohl bei Müllern, als auch Bäckern nicht erwünscht. Auch werden Nachteile einzelner Pflanzenarten nur ungern in Kauf genommen. Dazu zählen zum Beispiel das Umknicken von langstrohigen Getreidearten auf dem Feld (das sogenannte Lagern) oder das vorzeitige Abfallen von Ährenteilen bei Dinkel.
Zum Erhalt der Artenvielfalt maßgeblich zu beitragen können die in letzter Zeit wieder entdeckten Urgetreidearten, wie Einkorn, Emmer und Dinkel und weitere Arten. Ein Grund mehr für mich ein besonderes Augenmerk auf diese „alten“ Pflanzenarten zu haben. Neben dem Erhalt an Arten- und genetischer Vielfalt und dem Erhalt an unterschiedlichen Ökosystemen, punkten diese fast vergessenen Arten mit ihrem bereichernden, oftmals einzigartigen Geschmack und oftmals vermehrten Anteilen an ernährungsphysiologisch hochwertig geltenden Bestandteilen, wie Carotinoiden, Anthocyanen, Ballast- und Mineralstoffen. Aus diesen Gründen ist vor Kurzem der Backkurs „Urkorn & urige Getreide“ der Brotbackkunst gestartet. Hier wird in ganz besonderer Weise durch die Kombination der „alten „ Getreidearten und traditionellen Herstelltechniken natürliches Brot wie zu Omas Zeiten erbacken und zugleich dafür gesorgt, dass die Artenvielfalt erhalten wird.
Wie oben im Artikel bereits angedeutet, gibt es stets Wechselbeziehungen zwischen der Artenvielfalt, den Ökosystemen und der genetischen Vielfalt.
Unter „Ökosystem“ versteht man das Zusammenspiel von tierischen und pflanzlichen Bewohnern in einem Lebensraum. Verändert sich ein Bestandteil hiervon, verändert sich das gesamte Ökosystem. Hierdurch wird bereits deutlich, dass die Artenvielfalt innerhalb eines Ökosystems wichtig ist.
Doch auch die Vielfalt an Ökosystemen wiederum ist wichtige Voraussetzung für den Erhalt der biologischen Vielfalt. Alle Lebenwesen sind an ein bestimmtes Ökosystem gebunden. In Deutschland gibt es rund 690 verschiedene Ökosysteme, wie das Wattenmeer, größere Waldgebiete, sandige Heidelandschaften, artenreiche Seen und Flussauen sowie die Bergwelt der Alpen. Ist ein Ökosystem gestört, werden hierdurch auch in ihm lebende Arten beeinflußt. Vom Erhalt der Ökosysteme hängt folglich auch die biologische Vielfalt ab. Dies ist der Grund, weshalb es lohnenswert ist Naturräume zu erhalten und zu schützen. Mit ihnen schützt man auch die dort lebenden Tier- und Pflanzenarten.
Die genetische Vielfalt aller Lebewesen wird durch die Vielzahl der Gene mit deren DNA, also der Trägerin der Erbinformationen, bestimmt. Die unterschiedlichsten Varianten und Kombinationen der Gene beeinflussen die Ausprägung eines Merkmales bei einem Lebenwesen, wie beispielsweise die Blütenfarbe. Diese genetische Vielfalt erst ist die Voraussetzung für die Anpassungsfähigkeit von Lebewesen an unterschiedliche Lebensbedingungen, wie Hitze, Trockenheit, Frost, Widerstandsfähigkeit gegen Schädlinge und Krankheitserreger usw.. Die genetische Vielfalt hat somit eine grundlegende Bedeutung für das Überleben der einzelnen Art.
Und je größer die genetische Vielfalt, desto größer die Wahrscheinlichkeit zukünftig zu erwartende Veränderungen angepaßt überstehen zu können. Und damit auch uns Menschen gute Lebensbedingungen zu ermöglichen. Denn vergessen wir eines nicht: Pflanzen sind der Ursprung allen Lebens auf Erden. Sie sorgen für lebensnotwendigen Sauerstoff und reichlich Biomasse für unsere Ernährung (Brot, Öl, Zucker), zum Verfüttern an Nutztiere (Weizen, Gerste, Mais), als Kleiderstoffe (Baumwolle, Leinen), als Industrierohstoff (Stärke, Schmieröle), zur Energiegewinnung (Holz, Biogas, Biodiesel) oder als Arnei- und Gewürzmittel (Kamille, Pfeffer).
Es ist meines Erachtens an der Zeit entschieden Gegenzusteuern. Der Verlust der Artenvielfalt bei Getreide sowie weiteren Pfanzen- und Tierarten bedroht nicht nur die einzelnen Spezies, unsere gesamte Umwelt und damit nicht zuletzt den Menschen an sich. Es ist nicht ausreichend das Thema kurzzeitg in den Massenmedien zu behandeln. Handeln ist gefragt. Mit Arten- und Landschaftsschutz, mit naturverbundener Nachhaltigkeit anstelle von Zertifikaten und bewußtem Konsum. Der erste Schritt jedes Umdenkes ist das Sich-Informieren. Hierzu lade ich jeden ein. Ein Anfang hierzu kann die Literatur der nachstehenden Quellenangaben sein.
Quellenangaben:
https://www.sueddeutsche.de/wissen/artensterben-ipbes-bericht-1.4434207, abgerufen am 08.05.2019
https://www.nachdenkseiten.de/?p=51517, abgerufen am 08.05.2019
https://www.greenpeace.de/themen/artenvielfalt/was-ist-biodiversitat, abgerufen am 08.05.2019
https://www.deutschlandfunk.de/bericht-zur-globalen-biodiversitaet-es-geht-ans-eingemachte.676.de.html?dram:article_id=448010, abgerufen am 08.05.2019
https://www.dw.com/de/der-massive-verlust-der-biodiversit%C3%A4t-ist-f%C3%BCr-den-menschen-so-bedrohlich-wie-der-klimawandel/a-48614763, abgerufen am 08.05.2019
Thomas Miedaner, Fridrich Longin: Unterschätzte Getreidearten, Agrimedia Verlag, 1. Auflage 2012